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Systemisches Denken und Handeln - Teil 1

Es ist gar nicht so einfach, zu beschreiben, was genau „systemisch“ bedeutet. Es leitet sich als Eigenschaft von „System“ ab. Sogar Wikipedia scheitert an der Definition, da dort zu lesen ist, dass die Bedeutungszuweisung nach Fachgebiet sehr unterschiedlich ist. Etymologisch stammt System vom altgriechischen sýstēma „aus mehreren Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes“, und es wird für etwas bezeichnet, dessen Struktur aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften besteht, die aufgrund bestimmter geordneter und funktionaler Beziehungen untereinander als gemeinsames Ganzes betrachtet werden (können) und so von anderem abgrenzbar sind. Wir sprechen also von einer Menge an Beziehungen.

Den Zusatz „systemisch“ finden wir heute im Bereich der Beratung, Psychotherapie, Unternehmensberatung und vielen weiteren Gebieten. Die Systemtheorie, als interdisziplinäre Betrachtungsweise, versucht sich (wenig überraschend) an der Beschreibung dieser „Systeme“. Zahlreiche Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Gebieten haben zur Entwicklung der Systemtheorie, oder besser, der Systemtheorien beigetragen. Namentlich haben wir schon Norbert Wiener im Bereich der Kybernetik erwähnt, aber auch Gregory Bateson. Begründet wurde das Gebiet um 1950 im Rahmen der Allgemeinen Systemtheorie von Ludwig von Bertalanffy, und die sogenannten Macy-Konferenzen, die von 1946 bis 1953 stattfanden, begründeten ein interdisziplinäres Verständnis der Kybernetik inklusive mathematischer Theorien der Kommunikation, Steuerung und Regelung von lebenden, technischen und sozialen Systemen u. a. durch Rückkopplungsschleifen. Wir haben die Selbstreflexionsfähigkeit, also die Fähigkeit zur „persönlichen Rückkopplung“, als eine der grundlegenden Fähigkeiten angenommen, die Persönlichkeitsentwicklung, ja jede Form des Lernens überhaupt möglich macht. Diesen Ansätzen liegt auch ein wissenschaftlicher Paradigmenwechsel zugrunde, der sich mit Konzepten der Komplexität und der Emergenz erklären lässt und sehr stark vereinfacht besagt, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Das bedeutet für Wissenschaftler, dass der bisher verfolgte Weg der immer weiteren Reduktion von Systemen auf ihre Bestandteile zahlreiche Effekte nicht mehr beschreiben kann. So wichtig die Erforschung einer Nervenzelle auch ist, so wenig lernen wir dabei für das, was wir Bewusstsein nennen, obwohl das eine ohne das andere (in dieser Form) nicht existieren kann.

Ein für unser Thema besonders relevantes System ist der Mensch. Um genau zu sein, IST der Mensch kein System, sondern wird von einem „Beobachter“ so beschrieben. Denn alles, was ist, kann nur im Bewusstsein eines solchen Beobachters existieren. Das ist vielleicht schwer zu verstehen und klingt für die meisten nicht gerade einleuchtend. Man könnte doch annehmen, dass es dem Universum ziemlich gleich ist, ob wir es beobachten. Vielleicht kennen Sie ja die Frage, ob ein Baum, der im Wald umfällt, ein Geräusch macht, wenn niemand da ist, der es hört (oder misst oder irgendwie anders davon etwas mitkriegt). Die Antwort ist schlicht, dass wir es nicht wissen können. Ein System ist also etwas, das von jemandem als solches wahrgenommen (beschrieben) wird. Dabei wird es von etwas anderem unterschieden, das wir „Umwelt“ nennen, also von dem, was NICHT System ist. Es gibt also eine sogenannte System-Umwelt-Schranke, eine Systemgrenze. Bei einem biologischen, lebenden System wie einer Zelle wäre das die Zellwand. Bei dem biologischen System Mensch die Haut. Dass das aber möglicherweise nicht ganz so einfach ist, zeigt schon das Konzept eines sozialen Systems, das wir alle kennen, die Familie. Wer genau gehört denn zu einer Familie? Diese Frage beschäftigte schon den österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein, der daraus den Begriff der „Familienähnlichkeit“ für seine späte Philosophie ableitete. Können Sie leicht beantworten, nach welchen Kriterien man Mitglied einer Familie wird? Vergessen Sie dabei nicht den Wahlonkel, Adoptivkinder, Samenspenden und vieles mehr. Wenn wir sagen, dass der Mensch ein System ist (dann sind offenbar wir die „Beobachter“), ist das schon eine starke Vereinfachung. Wir sind Systeme in Systemen in Systemen, die mit anderen Systemen wechselwirken. Ein Beispiel dafür ist unser Gehirn, das Teil unseres Körpers ist, also ein biologisches System in einem biologischen System, das ein psychologisches System, nämlich unseren „Geist“, hervorbringt. Raucht Ihr Kopf schon? Gut! Sie beginnen zu verstehen, womit sich die Systemtheorien beschäftigen, nämlich ziemlich komplexem Zeug.

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