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Systemisches Denken und Handeln - Teil 2

Eine für uns besonders wichtige Art von Systemen sind jene, in denen wir leben, soziale Systeme. Wir haben als Beispiel bereits die Familie kennengelernt. Woraus bestehen nun solche sozialen Systeme? Die logische, auf der Hand liegende und falsche Antwort ist „aus Menschen“. Geht es nach dem deutschen Soziologen und einem der Begründer einer besonders wichtigen Variante von Systemtheorien, Niklas Luhmann, bestehen soziale Systeme aus Kommunikation.

Menschen sind zwar wichtig, aber machen diese Systeme nicht aus. Sie sind, wie Luhmann es nennt, „strukturell gekoppelt“. Glauben Sie nicht? Hier ein einfaches Beispiel: Ein großes Unternehmen beschäftigt eine wichtige Arbeitskraft. Doch aus irgendeinem Grund trennt sich das Unternehmen von dieser Person und stellt dafür eine andere ein. Ist das Unternehmen nun ein neues soziales System bzw. hat es sich verändert? Insgesamt macht der Austausch einer Person in einem großen System wohl keinen großen Unterschied. Gar keinen macht es, wenn die Kommunikation sich nicht ändert. Stellen wir uns vor, die Person hat in einem abgeschiedenen Bereich gearbeitet und trat persönlich nie in Erscheinung, sondern nur durch „Schnittstellen“ wie E-Mail. Bleibt die Kommunikation gleich, ändert sich das Unternehmen gar nicht. Dabei ist es natürlich wichtig zu klären, was genau Kommunikation ist, und diesen Begriff entsprechend weit zu fassen. Für unser Thema ist das aus unterschiedlichen Gründen essentiell. Einerseits betont es die Wichtigkeit der Kommunikationsfähigkeit für uns Menschen, die in solchen sozialen Systemen agieren (oder eben strukturell gekoppelt sind). In Coaching und Beratung arbeiten wir zumeist mit der Art, wie Menschen mit sich und anderen „umgehen“, also im weiteren Sinne kommunizieren. Die Bedeutung von Systemik geht aber weit darüber hinaus, bis hin zu erkenntnistheoretischen Wurzeln. Die Basis von Luhmanns Systemtheorie ist der radikale Konstruktivismus mit Vertretern wie Heinz von Förster, Ernst von Glasersfeld, den Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco Varela. Danach liefern uns unsere Sinnesorgane nie eine „wirkliche“ Abbildung der Welt. Wir bekommen immer nur Repräsentationen dessen geliefert. Schon Platon beschäftigte sich in seinem Höhlengleichnis mit dieser Frage, allerdings meinte er, man könne die Höhle verlassen und die „echte“ Wahrheit finden. Die Höhle sind wir aber selbst. Es gibt kein Entkommen. Was auch immer wirklich IST, es wird uns niemals zugänglich sein. Unser Gehirn konstruiert eine Realität, die nützlich (viable) für unser Überleben ist, aber nicht „wahr“. Je mehr wir über unser Gehirn wissen, umso mehr Bestätigungen finden wir für diese Theorie, deren Vorläufer auch schon bei Immanuel Kant zu finden sind. Dieser radikale Abschied von so etwas wie Objektivität hat ziemlich dramatische Auswirkungen. Wenn die Welt nicht IST, sondern wir sie MACHEN, stellt sich die Frage, wie wir das tun und wie wir das zum Besseren ändern können. Wir konstruieren unsere Welt, ja ganz offenbar die meiste Zeit ziemlich unbewusst. Wenn Sie mir nicht glauben, empfehle ich Ihnen eine Erfahrung in der Welt der Virtuellen Realität. Ich lade regelmäßig Absolventinnen meines Instituts dazu ein, spielerische Abenteuer in solchen vermeintlich unwirklichen Welten zu erleben. Ich selbst leide an Höhenangst. Mein Organismus reagiert also auf eine ganz spezielle Art von Reizen ziemlich intensiv. Nun könnte man meinen, dass Computergrafiken, die über eine spezielle 3D-Brille vermittelt werden, nicht ausreichend sind, solche physischen Veränderungen zu stimulieren. Weit gefehlt. Auch wenn unser Körper unterschiedlichste Sinnesorgane zur Verfügung hat, reicht die Vermittlung von visuellen Reizen völlig aus, um Ihnen das authentische Gefühl zu vermitteln, Sie würden auf einer Plattform stehen, die sich schnell nach oben bewegt, umringt von allesverschlingenden Abgründen. Es hilft dabei ziemlich wenig, wenn Sie ganz genau wissen, dass Sie ganz sicher im Erdgeschoss eines Wiener Hauses stehen. Zahlreiche Filme, darunter der bereits zitierte Streifen „Matrix“ mit Keanu Reeves, aber auch „Inception“ mit Leonardo DiCaprio, nehmen sich dieses Themas an. Schlussendlich ist das, was Sie sehen, nicht das, was an Licht tatsächlich auf Ihre Netzhaut trifft, sondern eine Umrechnung Ihres Gehirns, wie ein Experiment mit der Prismenbrille, zeigt. Dieses kehrt das Bild das wir sehen um und binnen einer kurzer Zeit (ca. einem Tag) sehen sie die Welt wieder wie gewohnt. Sie sehen also nicht, was Sie sehen, Sie erinnern sich nicht wirklich an Ereignisse der Vergangenheit, wie moderne Gedächtnisforschung zeigt, sondern Sie erfinden ganz große Teile davon selbst und füllen damit die Lücken auf. Diese Lücken sind keine kleinen Löcher, sie sind der Großteil dessen, was Sie für Realität halten. Wie unglaublich schwer das zu akzeptieren ist, zeigt unter anderem die völlig unsachliche Kritik an solchen Forschungsergebnissen, wie sie beispielsweise an der Gedächtnisforscherin Elizabeth Loftus geübt wird. Ganz nach Christian Morgenstern: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“

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